
Zehn Jahre nach der Verabschiedung der Agenda 2030 zieht SDG Watch Austria Bilanz – und das Ergebnis ist zwiespältig. Österreich steht im internationalen Vergleich gut da, wenn es um die nationale Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) geht. Doch die Schattenseite dieses Erfolgs zeigt sich im Ausland: negative Spill-Over-Effekte.
Der Bericht von SDG Watch Austria zeigt deutlich: Die wirtschaftlichen Interessen wohlhabender Länder tragen dazu bei, dass Staaten des Globalen Südens in ihrer nachhaltigen Entwicklung behindert werden. Österreich belegt laut Sustainable Development Report 2025 Platz 151 von 167 im globalen „Spill-Over-Ranking“.
Darunter versteht man jene negativen Auswirkungen, die Österreichs Wirtschafts- und Konsummuster in anderen Ländern verursachen – etwa durch Rohstoffabbau, Produktionsverlagerung oder klimaschädliche Lieferketten. Kurz gesagt: Wir verbrauchen weit mehr Ressourcen, als unser Land selbst zur Verfügung hat.
Dieser ökologische Überkonsum steht in engem Zusammenhang mit Österreichs Materialfußabdruck – also der Gesamtmenge an Materialien (Biomasse, Metalle, fossile Rohstoffe, Mineralien), die für unseren Konsum und unsere Produktion eingesetzt werden, auch wenn sie im Ausland gewonnen werden. Laut der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie lag dieser Materialfußabdruck im Jahr 2017 bei rund 33 Tonnen pro Kopf und Jahr (Daten aus der UN-IRP MFA-Database). Das Ziel ist es jedoch bis 2030 den innerländischen Materialverbrauch auf 14 Tonnen pro Kopf zu reduzieren, und den gesamten Materialfußabdruck (Inlands- und Auslandsverbrauch) bis 2050 auf 7 Tonnen pro Kopf. Diese massive Diskrepanz verdeutlicht, wie stark Österreichs Wohlstand auf globalen Ressourcenströmen und Umweltkosten beruht.
Diese negativen Effekte entstehen unter anderem durch CO₂-intensive Lieferketten und nicht-nachhaltigen Handel, ausbeuterische Produktionsmuster, hohe Rohstoffnachfrage, sowie nachteilige steuerpolitische Praktiken, die Entwicklungsländer daran hindern, ihre Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssysteme zu stärken.
Globale Verantwortung statt nationale Selbstzufriedenheit
SDG Watch Austria betont, dass Österreich und Europa Mitverantwortung tragen, wenn Länder des Globalen Südens die SDGs nicht erreichen. Soziale, ökologische und ökonomische Fortschritte dürften nicht auf Kosten anderer Länder oder künftiger Generationen erzielt werden.
Gleichzeitig zeigen die Zahlen bereits jetzt die Folgen dieser Ungleichgewichte: Mehr als die Hälfte der Länder des Globalen Südens ist mittlerweile stark verschuldet. Viele Staaten geben mehr Geld für Schuldendienst als für Bildung oder Gesundheit aus – ein Teufelskreis, der durch globale Wirtschaftsstrukturen und steuerliche Schlupflöcher verschärft wird.
Politikkohärenz als Schlüssel
Ein zentraler Ansatz zur Eindämmung dieser negativen Effekte ist laut Bericht die Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (PCSD).
SDG Watch Austria fordert, dass Österreich mehr Verantwortung für seine negativen Spillover-Effekte übernimmt und Politikkohärenz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sicherstellt. Dadurch können langfristig auch Kosten und Risiken für die österreichische Bevölkerung vermieden werden.
Wesentlich ist dabei, die kommenden Empfehlungen der OECD (PCSD-Scan) ernst zu nehmen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. PCSD sollte als zentrale Leitlinie eines nationalen SDG-Umsetzungsplans verankert und durch geeignete institutionelle Strukturen abgesichert werden.
Darüber hinaus wird empfohlen, die negativen Spillover-Effekte Österreichs systematisch zu analysieren und gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um diese zu vermeiden. Österreich sollte zudem seinen internationalen Verpflichtungen in der Klima- und Entwicklungsfinanzierung nachkommen, Schuldenerleichterungen gewähren und sich – auch auf EU-Ebene – für eine faire und nachhaltige globale Finanzarchitektur sowie die Finanzierung globaler öffentlicher Güter einsetzen.
Ein Weckruf an Politik und Wirtschaft
Der Bericht liefert letztlich einen klaren Auftrag: Österreich muss seine globalen Auswirkungen systematisch analysieren und Gegenmaßnahmen setzen. Dazu gehören faire Handelspraktiken, eine ehrliche Klimafinanzierung und das Einhalten der OECD-Verpflichtung, 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen – 2024 waren es lediglich 0,34 %. Eine ernst gemeinte Kreislaufwirtschaft, die weit über das reine Recycling hinausgeht, und durch innovative zirkuläre Geschäftsmodelle tatsächlich den gesamten Rohstoffverbrauch reduziert, kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.
Nachhaltigkeit endet nicht an der Staatsgrenze. Nur wenn Österreich seine ökologische und ökonomische Verantwortung weltweit wahrnimmt, kann es glaubwürdig von globaler Gerechtigkeit sprechen.


