
Die heurige internationale RREUSE-Konferenz in Neapel stand ganz im Zeichen der Frage, wie die grüne und digitale Transformation sozial gerecht gestaltet werden kann. Sozialwirtschaftliche Re-Use-Betriebe spielen bei der Entwicklung einer wirklich inklusiven Kreislaufwirtschaft, die ökologische, ökonomische und soziale Ziele verbindet, eine essenzielle Rolle. Umso wichtiger ist es, dass Akteur:innen aus dieser Branche regelmäßig zusammenkommen, um gemeinsam den Status Quo und mögliche Strategien zu diskutieren.
Reger Austausch, inspirierende Talks und Site-Visits, sowie jede Menge Zukunftsvisionen: Ein Rückblick auf eine erfolgreiche RREUSE-Konferenz.
Es wurde bereits im Eröffnungspanel deutlich: Der Wandel zu einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Wirtschaft macht tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen notwendig, die in viele unterschiedliche Bereich eingreifen müssen. Dementsprechend vielseitig gestaltete sich auch das Programm der diesjährigen RREUSE-Konferenz. Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Sozialwirtschaft diskutierten, wie sich grüne, digitale und soziale Transitionen gegenseitig beeinflussen – und welche politischen Leitplanken nötig sind, um niemanden in der Transformation zu verlieren. Klar ist: Die soziale Dimension der Kreislaufwirtschaft muss gleichrangig mit der ökologischen gedacht werden. Wiederverwendung und Reparatur schaffen nicht nur Ressourcenschutz, sondern auch sinnvolle lokale Arbeitsplätze – insbesondere für benachteiligte Gruppen.
Welche Werte sollen also die Leitsterne einer gerechten Transformation sein? Diese zentrale Frage beschäftigte das Plenum über die gesamten zwei Tage der Konferenz hinweg. Solidarität, soziale Inklusion, Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung:
Sozialunternehmen im Re-Use-Sektor sind nicht nur Dienstleister, sondern gleichzeitig auch gesellschaftliche Akteure. Sie müssen wirtschaftlich agieren, ohne ihre sozialen Ziele zu verlieren – ein Spannungsfeld, das auch in Österreich zunehmend spürbar ist.
Europäische und nationale Perspektiven
Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz lag auf der Verbindung von EU-Politik und nationaler Umsetzung. Diskutiert wurden Themen wie das EU-Kreislaufwirtschaftsgesetz, nationale Sozialwirtschaftsstrategien und der Aufbau von Systemen der Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR).
Re-Use-Organisationen erleben europaweit ähnliche Herausforderungen: unklare Rahmenbedingungen, unsichere Finanzierung und zu wenig politische Anerkennung ihrer Arbeit. Aus österreichischer Sicht sind insbesondere jene Diskussionen wichtig, die sich mit der Ausgestaltung künftiger EPR-Systeme befassen – sie könnten eine stabile Grundlage für Re-Use- und Reparaturstrukturen schaffen.
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft
Ein zentrales Thema vieler Panels war zudem die Kooperation zwischen Sozialunternehmen und klassischen Wirtschaftsakteuren. Diskutiert wurde, wie sozialwirtschaftliche Betriebe ihre Unabhängigkeit und Werte wahren können, während sie gleichzeitig in komplexen Lieferketten agieren. ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) bieten Chancen für neue Partnerschaften, sofern sie glaubwürdig umgesetzt werden.
Für Re-Use Austria bedeutet das: strategische Allianzen mit Wirtschaftspartnern weiter auszubauen, um Re-Use als selbstverständlichen Teil des Marktes zu etablieren – und dabei soziale Beschäftigung zu fördern.
Die Diskussion rund um das Thema Finanzierung zeigte zudem, dass eine starke sozial-ökologische Kreislaufwirtschaft neue Investitionsformen braucht, die über öffentliche Förderungen hinausgeht. Hier ist es von zentraler Bedeutung den sozialen und ökologischen Mehrwert der Re-Use-Betriebe messbar zu machen – nicht nur in Tonnen eingesparter Ressourcen, sondern auch in Arbeitsplätzen, Bildung und sozialer Integration.
Tag 2 – Textilkrise und Praxisbeispiele
Am zweiten Tag standen Betriebsbesuche und thematische Vertiefungen im Fokus, insbesondere beim Sozialbetrieb Ambiente Solidale in Neapel. Unter dem Titel
„How to get out of the textile crisis?“ wurde über Lösungen für die aktuelle Textil- und Altkleiderkrise diskutiert.
„Natürlich konnten wir keine Lösung für die Exportkrise von Altkleidern aus dem Hut zaubern, aber wir rufen alle sozialwirtschaftlichen Textilsammler auf, bis zur Einführung der Herstellerverantwortung ab ca. 2028 nicht aufzugeben, sondern höchstens Container zu reduzieren, stattdessen die direkte Sachspendenannahme sowie den noch immer steigenden Inlands- und Onlineverkauf zu forcieren. Dazu bedarf es starker Partnerschaften, deshalb freuen wir uns ganz besonders über die Partnerschaften mit Städten und Gemeinden, deren EU-Dachverband Municipal Waste Europe (MWE) mit seinem Präsidenten Federico Foschini prominent auf unserer Konferenz vertreten war. RREUSE und MWE stehen Seite an Seite und setzen sich gemeinsam dafür ein, dass die Textilsammlung auch künftig in der Hoheit der Kommunen und prioritär in Partnerschaft mit sozialen Unternehmen erfolgen soll.“ – Matthias Neitsch, Geschäftsführer von Re-Use Austria und Präsident von RREUSE.

Matthias Neitsch (Re-Use Austria and RREUSE) mit Federico Foschini (Municipal Waste Europe)
Fazit
Die Konferenz hat deutlich gemacht:
Re-Use ist systemrelevant – nicht nur ökologisch, sondern auch sozial. Politische Kohärenz zwischen Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik ist entscheidend. Herstellerverantwortung muss so ausgestaltet werden, dass sie sozialwirtschaftliche Sammler stärkt. Städte und Gemeinden sind unverzichtbare Partner in der Umsetzung einer sozial gerechten Textil- und Kreislaufwirtschaft.
RREUSE und Re-Use Austria arbeiten gemeinsam daran, die Stimme der sozialwirtschaftlichen Re-Use-Betriebe europaweit zu stärken – damit der Wandel zur Kreislaufwirtschaft nicht nur grün, sondern auch gerecht und solidarisch gelingt.
Bilder von der Konferenz (Copyright RREUSE):















 
					

