Am 19. Mai fand die 8. Österreichische Re-Use-Konferenz statt – und zwar zum ersten Mal online. Wie man im Bereich Textilien eine Kreislaufwirtschaft erreichen kann, wurde anhand vielfältiger, inspirierender und auch unterhaltsamer Beiträge analysiert.
Unser Umgang mit Textilien muss sich ändern. Ressourcenkonsum, Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen im Bereich der Fast Fashion schreien nach Veränderung des Systems – von Produktion bis Konsum und Afterlife. Warum es Kreislaufwirtschaft braucht und wie diese erreicht werden könnte, wurde bei der Österreichischen Re-Use-Konferenz ausführlich diskutiert. Durchs Programm führten Ulrike Kabosch (ARGE Abfallvermeidung) und Matthias Neitsch (RepaNet). Künstlerisch begleitet wurde die Konferenz (bereits traditionsgemäß) vom Theater im Bahnhof.
Nach den Begrüßungsworten von Ao.Univ.-Prof. Dr Martin Polaschek (Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz), Mag. Siegfried Nagl (Bürgermeister der Stadt Graz), Dr. Günther Riegler (Stadtrat für Kultur, Wissenschaft und Finanzen der Stadt Graz), Mag.a Judith Schwentner (Stadträtin für Umwelt, Frauen und Gleichberechtigung der Stadt Graz) und Ök.-Rat Johann Seitinger (Landesrat des Lebensressorts der Steiermärkischen Landesregierung) folgte eine Einleitung von Berthold Schleich, GF der ARGE Abfallvermeidung, bevor es mit den Vorträgen in medias res ging. Alle Präsentationen der Re-Use-Konferenz sind als Download auf der Website der ARGE Abfallvermeidung verfügbar.
Dagmar Grage Preis für DI Dr. Willi Haas
In seiner Keynote verglich DI Dr. Willi Haas unseren Ressourcenkonsum mit einer Cowboy-Economy, in der Herden bestimmte Landstriche abgrasen und dann weiterziehen. Durch unseren massiven Materialkonsum, die geringe Kreislaufführung und die gegebenen Grenzen unseres Planeten („Spaceship Earth“, mehr dazu) führt immer mehr zur Erschöpfung unseres Systems. Deutlich wurde, dass sich soziale Realitäten auf Stoffflüsse auswirken. Für eine Kreislaufschließung braucht es kluge Nutzung und Erzeugung von Produkten und Infrastrukturen, verlängerte Lebensdauer von Produkten, Infrastrukturen und deren Teilen und Wiederverwertung von Materialien. Haas wurde im Anschluss für sein außerordentliches Engagement der Dagmar Grage Preis 2021 für Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft verliehen.
EU-Textilstrategie wird wichtiger Meilenstein
Thekla Wilkening, Expertin für nachhaltige Businessentwicklung, betonte unter anderem die Relevanz einer Transparenzpflicht für Lieferketten. Michal Len (Direktor RREUSE) teilte Updates zur Erstellung der europäischen Textilstrategie, welche Ende 2021 veröffentlicht werden soll. Eine öffentliche Konsultation dazu läuft bis 4. August (zur Konsultation). RREUSE betonte im Feedback zur Roadmap die Wichtigkeit der Reduktion des Konsums, die Priorisierung von Re-Use vor Recycling und die Stärkung der sozialwirtschaftlichen Player im Re-Use-Bereich (mehr dazu hier).
Erste Erkenntnisse von Studie des Umweltbundesamtes
Dr. Emile Van Eygen (Abteilung Abfälle & Stoffflussmanagement im Umweltbundesamt) stellte das Aufkommen und die Behandlung von Textilabfällen in Österreich vor, basierend auf vorläufigen Ergebnissen einer Studie des Umweltbundesamtes, die demnächst veröffentlicht wird. Einige Erkenntnisse: 59% der Textilabfälle kommen aus Haushalten, rund die Hälfte des Aufkommens von getrennt gesammelten Altkleidern wird exportiert. Im gemischten Siedlungsabfall (Restmüll) befinden sich rund 88.000 t, im Sperrmüll etwa 49.000 t Textilien. Die Studie wird nach Veröffentlichung (in etwa 1-2 Monaten) von RepaNet vorgestellt und in der RepaThek verfügbar gemacht werden.
Möglichkeiten der Nachfragesteigerung
Wie die Nachfrage nach gebrauchten Textilien, mit Fokus auf der Steiermark, gesteigert werden kann, wurde von Mag.a Dr.in Ingrid Winter (Leiterin des Referats Abfall- und Ressourcenwirtschaft, Abteilung 14, Amt der Steiermärkischen Landesregierung) erörtert. In der Steiermark finden sich über 5 kg Textilien und Schuhe pro Person und Jahr im Restmüll. Helfen soll die Verbesserung der Sichtbarkeit der Re-Use-Branche, durch einen Online Re-Use-Führer. So wurde im EU-Projekt SUBTRACT eine Re-Use-Landkarte der steirischen Re-Use-Initiativen geschaffen.
Soziale Aspekte der Textilsammlung
Nach der Pause betrachtete Thomas Ahlmann (Geschäftsführer des Dachverbandes Fairwertung e.V., Essen) soziale Aspekte der Textilsammlung und zeigte auf, was mit gesammelten Textilien in Westeuropa passiert. Die Erwartungshaltung, dass gespendete Textilien für karitative Zwecke verwendet werden, kann allerdings nicht immer erfüllt werden. Dem Angebot an Second-Hand-Textilien steht weltweit eine große Nachfrage gegenüber; im europäischen Inland ist diese Nachfrage allerdings beschränkt. Er stellte klar, dass es nicht verwerflich ist, wenn gemeinnützige Organisationen Überschüsse weiterverkaufen, da dies eine wichtige Finanzierungssäule für ihre sozialen Zwecke darstellt.
Irene Schanda (RepaNet) stellte die Website sachspenden.at anhand eines kurzen Werbefilmes vor, der die Vorteile der sozialen und nachhaltigen Kleiderspende auf unterhaltsame Weise aufzeigte. Das Video wird in den nächsten Wochen auf dem RepaNet YouTube Channel veröffentlicht werden.
Textilsammung in Vorarlberg
In Vorarlberg findet eine 100%ig sozialwirtschaftliche Textilsammlung statt, die von sämtlichen Gemeinden unterstützt wird. Matthias Neitsch sprach mit DI Aaron Oberscheider-Preiner (Mitarbeiter im Bereich Abfallwirtschaft und Umwelt beim Vorarlberger Gemeindeverband), Karoline Mätzler (Fachbereichsleiterin Arbeit & Qualifizierung bei Caritas Vorarlberg) und Borna Krempler (Koordinator Sachspenden bei Caritas Vorarlberg) über die Besonderheiten dieses Systems im Westen Österreichs. 50% der gesammelten Menge werden im carla Tex Kleidersortierwerk in Hohenems sortiert. Die Sortierkapazitäten sowie die Nachfrage im Inland sind jedoch begrenzt, somit werden die restlichen 50% der Sammelmenge ausgeschrieben und über geprüfte Partner in anderen Ländern vermarktet. Die Partnerschaft zwischen Gemeinden und Sozialwirtschaft generiert in Vorarlberg mehrfach positive Effekte. Das Re-Use-Thema ist zudem prädestiniert dafür, aktuell dringend notwendige Arbeitsplätze zu schaffen, betonte Mätzler.
Eine virtuelle Führung durch den Apflbutzn Conceptstore in Graz, in dem es neben Vintage-Mode auch neue, fair produzierte Kleidung gibt (und der nebenbei vollständig mit Re-Use-Möbeln eingerichtet ist), zeigte, dass mit genügend Engagement nachhaltiges Unternehmer*innentum im Textilbereich durchaus möglich ist.
Recycling als wichtiger Teil von Kreislaufwirtschaft
DI Dr. Andreas Bartl (Senior Scientist an der Technischen Universität Wien) ging auf aktuelle Entwicklungen im Bereich des Faserrecycling ein. Denn Kreislaufwirtschaft ist zwar nicht gleichbedeutend mit Recycling, doch ist Recycling ein wichtiger Teil von Kreislaufwirtschaft. Einige Facts: Ein T-Shirt benötigt (bestenfalls) etwa 1 kg Öl Energie in der Herstellung. ¾ aller Textilfasern bestehen aus Polyester. Materialmischungen sind vielfach inkompatibel für Recycling, da sie (fast) nicht trennbar sind.
Erweiterte Herstellerverantwortung – ja oder nein?
Einer der Höhepunkte des Konferenztages war die abschließende Diskussionsrunde mit fünf Stakeholder*innen aus dem Bereich der Textilsammlung, -verwertung, Konsument*innenschutz, Verwaltung und Abfallwirtschaft. Im Fokus standen das Pro und Contra der Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) in der Textilsammlung.
Mag.a Christine Hochholdinger (Leiterin der Abteilung V/6- Abfallvermeidung, -verwertung und -beurteilung, BMK) strich heraus, dass vor der Einführung einer Herstellerverantwortung die Ziele der jetzigen (auch sozialwirtschaftlichen) Player genau definiert werden müssen. Mag. Dr. Johann Mayr (Bundeskoordinator der ARGE Österreichischer Abfallwirtschaftsverbände) stellte fest, dass EPR ein zweischneidiges Schwert ist. Borna Krempler (Koordinator Sachspenden bei Caritas Vorarlberg) betonte die Herausforderungen durch Fast Fashion (steigende Mengen, sinkende Qualität), deren Auswirkungen und Kosten bisher die Sammler trugen bzw. die Bürger*innen über die Abfallgebühren (Restmüll). Mag. Christian Abl (Geschäftsführer der Reclay Österreich GmbH) betonte die Wichtigkeit der Vermittlung des Wertes von Textilien an Konsument*innen und die Bereitschaft der Reclay GmbH, dabei mitzuwirken. Mag. Werner Hochreiter (Mitarbeiter der Abt. Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer Wien) sieht unter EPR ursprünglich ein Bündel an Instrumenten, aktuell werden darunter meist nur mehr Rücknahmesysteme verstanden.
Unser Fazit aus der Diskussion: Klassische EPR-Systeme wie im Bereich Verpackungen und Elektrogeräte sind für die Alttextilbewirtschaftung einerseits nicht zwingend nötig, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen, andererseits sind sie für viele Herausforderungen ohnehin nicht das richtige Tool. Falls sie trotzdem forciert werden sollen, dann müssten sie radikal anders konzipiert sein als die bisherigen Systeme bei Verpackungen/EAG.
Sie finden alle Präsentationen der Re-Use-Konferenz als Download auf der Website der ARGE Abfallvermeidung.
Unterstützt wurde die Re-Use-Konferenz vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), der Abt.14 der Steirischen Landesregierung, dem Umweltamt der Stadt Graz, der ARGE Shredder und dem Institut SIS der Karl Franzens Universität Graz.
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RepaNews: Spannendes Programm bei der Re-Use-Konferenz 2021