Kommunen und Sozialwirtschaft stehen Schulter an Schulter, wenn es um die Gestaltung einer nachhaltigeren Textilbewirtschaftung in Europa geht. Unser EU-Dachverband RREUSE – Reuse and Recycling European Union Social Enterprises und der EU-Dachverband der kommunalen Abfallwirtschaft MUNICIPAL WASTE EUROPE (MWE) haben dazu eine gemeinsame Position veröffentlicht.
Ab Januar 2025 wird es in der gesamten EU obligatorisch, eine getrennte Textilsammlung einzuführen, so wie sie in Österreich bereits seit Jahrzehnten besteht. Das stellt den Re-Use-Sektor in vielen Ländern vor große Herausforderungen und Risiken. In weiterer Folge müssen – voraussichtlich ab 2027, auch in Österreich – Systeme zur „Erweiterten Herstellerverantwortung“ (EPR) umgesetzt werden, das bedeutet, dass die Hersteller bzw. Importeure von Textilien für Sammlung und Verwertung bezahlen müssen, so wie dies auch schon z.B. bei Verpackungen und Elektroaltgeräten der Fall ist. RREUSE (unter Präsident Matthias Neitsch von Re-Use Austria) hat gemeinsam mit MUNICIPAL WASTE EUROPE in einem Positionspapier Empfehlungen für die Umsetzung herausgegeben.
Worum geht es genau?
Obwohl das Vorhaben auf den ersten Blick positiv erscheinen mag, bestehen doch fundamental unterschiedliche Interessen zwischen Produzenten auf der einen Seite und Kommunen und sozialwirtschaftichen Re-Use-Unternehmen auf der anderen Seite: Während insbesondere die Produzenten von Fast Fashion aus Profitgründen häufig kurzlebige Produkte und frühzeitiges Recycling forcieren wollen, setzen soziale Unternehmen und Gemeinden auf die Abfallhierarchie, Reduzierung des Materialkonsums und längere Wiederverwendung. Ohne entsprechende Maßnahmen könnte die getrennte Sammlung von Textilien zu vorzeitigem Recycling führen, selbst bei Kleidungsstücken, die länger wiederverwendbar wären, und damit soziale Unternehmen benachteiligen. Kluge politische Gestaltung ist daher notwendig, um die Abfallhierarchie zu wahren und unfairen Wettbewerb zwischen Re-Use und Recycling sowie geografische Ungleichheiten in der Textilsammlung zu vermeiden.
Die Zusammenarbeit zwischen sozialen Unternehmen und Kommunen macht den Unterschied
Die Zusammenarbeit zwischen sozialen Unternehmen und Kommunen spielt eine entscheidende Rolle im Textilabfallmanagement. Soziale Unternehmen priorisieren die lokale Wiederverwendung und schaffen inklusive Arbeitsplätze, was wiederum die Spendenbereitschaft von Verbraucher:innen steigert. Gemeinden leisten dahingehend einen unterstützenden Beitrag für diese Initiativen, als dass sie soziale Unternehmen in die Textilsammlung integrieren und ihnen ermöglichen, Textilcontainer aufzustellen. Erfolgreiche Beispiele aus Italien, Österreich und Spanien zeigen, wie diese Kooperationen lokal und national umgesetzt werden können. In Vorarlberg etwa haben sich alle Gemeinden für die Zusammenarbeit mit einem Sozialunternehmen entschieden, anstatt Privatunternehmen mit der Textilsammlung und -verwertung zu beauftragen. Solche Kooperationen bringen sowohl soziale als auch ökologische Vorteile mit sich.
Die Hauptforderungen an politische Entscheidungsträger:innen
Um also sicherzustellen, dass die Bemühungen von Sozialunternehmen und Kommunen zur Umsetzung der Abfallhierarchie durch die neue Regelung nicht untergraben werden, haben RREUSE und Municipal Waste Europe folgende Schlüsselmaßnahmen identifiziert:
1. Berücksichtigung der Vielfalt der nationalen Kontexte und der schützenswerten Rolle der Sozialwirtschaft
Die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs „Abfall“ in den Mitgliedstaaten haben zu uneinheitlichen Systemen der Textilabfallsammlung geführt. Um sicherzustellen, dass die nationale Vielfalt sowie soziale und ökologische Ziele von Sozialunternehmen erreicht werden können, sollte die Möglichkeit direkter Spenden beibehalten und die Verwendung dieses Begriffs auf Sozialunternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen beschränkt werden.
2. Faire Verwaltung von EPR-Systemen sicherstellen
Sozialunternehmen und Kommunen werden oft nicht ausreichend in die Steuerung von EPR-Systemen miteinbezogen. Eine verpflichtende Zusammenarbeit zwischen sozialen Unternehmen, Kommunen und Produzentenverantwortungsorganisationen (PRO) ist notwendig, um eine faire und effektive Strategie zu etablieren.
3. Umfassende Kostendeckung durch EPR-Systeme
EPR-Systeme sollten alle Kosten für Sammlung, Transport, Sortierung und Vorbereitung zur Wiederverwendung vollständig abdecken.
4. Vermeidung einer Negativspirale
Eine einzige nationale Produzentenverantwortungsorganisation oder eine unabhängige Überwachungsstelle sollte sicherstellen, dass beteiligte Organisationen fair agieren und nachhaltige Praktiken fördern. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Organisationen könnte sonst dazu führen, dass Produzenten sich den günstigsten und am wenigsten strengen EPR-Systemen anschließen.
5. Separate Sammlung für sperrige Textilien
Die Einbeziehung von Matratzen und Teppichen in EPR-Systeme würde die Umsetzung nachhaltiger Recyclingziele fördern und ist somit begrüßenswert. Separate EPR-Systeme für diese sperrigen Gegenstände sind allerdings notwendig, da ihre Sammlung und Verwaltung anders organisiert werden muss als die von Kleidung und Schuhen.
Zum gemeinsamen Positionspapier von RREUSE und MWE geht’s hier!