Er ist bekannt für aufschlussreiche Recherchen und seine spitze Zunge: Jan Böhmermann beweist in der vergangenen Ausgabe von ZDF Magazin Royale wieder sein Showtalent. Das Thema diesmal: Second-Hand – Kleidung und das intransparente Firmengeflecht von Humana.
Das ZDF Magazin Royale ist am Freitagabend ein Pflichttermin für alle, die gesellschaftspolitische Probleme gerne durch die kritische Lupe betrachtet sehen wollen. Jan Böhmermann stellt wöchentlich umfangreiche, teils investigative Recherchen zu unterschiedlichsten Themen vor und hat damit schon mehrmals politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bühnen zum Beben gebracht. Die vergangene Ausgabe des ZDF Magazin Royale war dem Textil-Second-Hand-Handel, insbesondere einem Vertreter der Branche – nämlich Humana – gewidmet. Es ging um intransparente Waren- und Geldflüsse, strukturelle Probleme und dass nicht alle Kleidersammelcontainer wirklich sozialen Zwecken dienen.
Dabei wurde eins deutlich: Um wirklich nachhaltig zu handeln, ist es unumgänglich, dass Unternehmen, die in der Branche tätig sind, ihre Tätigkeiten transparent und nachvollziehbar machen. Das bedeutet, dass die Sammlung tatsächlich von einer sozialen Organisation durchgeführt oder beauftragt wird und der Erlös tatsächlich sozialen Projekten, zum Beispiel der Arbeitsmarktintegration und Armutsprävention, zugutekommt. Zudem muss parallel zum Vorantreiben des Second-Hand-Markts eine umfangreiche Bewusstseinsbildung stattfinden, die zum Überdenken des Konsumverhaltens im Allgemeinen anregt. Nur so funktioniert echte Kreislaufwirtschaft.
Re-Use Austria als Interessensvertretung der sozialwirtschaftlichen Re-Use-Betriebe in Österreich legt Wert auf die Klarstellung, dass unsere Mitgliedsbetriebe und auch die Mitgliedsbetriebe unserer deutschen Schwesterorganisation Dachverband Fairwertung Kreislaufwirtschaft in diesem Sinn betreiben und sich klar von intransparenten Machenschaften abgrenzen. Humana ist kein Mitglied in diesen Dachverbänden.
Spendenmanagement und sozialer Aspekt von Second-Hand
Die Mitgliedsbetriebe von Re-Use Austria haben eines gemein: Sie alle verfügen über transparente Besitzverhältnisse, sind karitativ oder gemeinnützig tätig. Viele von ihnen verfügen über das österreichische Spendengütesiegel oder das Gütesiegel für soziale Unternehmen. Somit ist klar, dass die Unternehmen mit den ihnen anvertrauten Spenden verantwortungsvoll und transparent umgehen und diese zweckbestimmt einsetzen. Als vorrangingen Zweck definieren dabei die meisten unserer Betriebe die soziale und berufliche Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen. Maßnahmen, die dabei gesetzt werden, sind zum Beispiel die Bereitstellung von Transitarbeitsplätzen. Bei dieser zeitlich begrenzten Tätigkeit werden die Personen von Fachkräften ausgebildet und für den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht.
Ein Beispiel, an dem viele unserer Mitgliedsbetriebe beteiligt sind, ist WIDADO: Hier werden Menschen mit dem Online-Vertrieb von Second-Hand-Waren vertraut gemacht. Die Transitarbeiter:innen lernen Bereiche der Produktfotografie, des E-Commerce und der Kundenbetreuung kennen. Die erworbenen Fähigkeiten können sie nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung bei einem Job am ersten Arbeitsmarkt anwenden. Auch in den stationären Second-Hand-Shops unserer Mitgliedsbetriebe sind vorrangig Transitarbeitskräfte tätig und lernen dabei wichtige Skills für den späteren Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Weitere soziale Projekte können auf den Webseiten unserer jeweiligen Mitgliedsbetriebe nachgesehen werden.
Second-Hand-Vertrieb: Das Täglich Brot sozialwirtschaftlicher Betriebe
Der Second-Hand-Vertrieb ist für die meisten unserer Mitgliedsbetriebe also ein essenzielles Kerngeschäft zur Finanzierung ihrer sozialen Aufgaben. In den letzten Jahren wurde der Markt jedoch nach und nach von großen privatwirtschaftlichen Konzernen besetzt, was zunehmend ein Problem für die Sozialwirtschaft darstellt. Konzerngiganten wie H&M, Ikea und Zara reagieren mit der Erschließung des Markts auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kund:innen. Dass dahinter nicht immer nur Umweltschutzbestrebungen stecken und sozialwirtschaftliche Betriebe, die ihre Unternehmenstätigkeiten auf tatsächlich nachhaltige Modelle aufbauen dadurch in Bedrängnis geraten, kritisierte Matthias Neitsch, Geschäftsführer von Re-Use Austria, unlängst in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten: „Natürlich ist es positiv, dass Second-Hand im Mainstream angekommen ist und immer beliebter wird. Dass jetzt aber auf den Trend, den der soziale Sektor in vielen Jahren groß gemacht habe, just jene Konzerne aufspringen, die das Problem von Fast Fashion und Wegschmeißkultur erst verursacht haben, entbehrt doch nicht einer gewissen Ironie.“
Denn während bei vielen dieser Konzerne fraglich bleibt, woher die vermeintliche Re-Use-Ware kommt und ob es sich dabei nicht einfach um Retourware aus den Onlineshops handelt, verkaufen sozialwirtschaftliche Betriebe ausschließlich Sachspenden in ihren Second-Hand-Shops.
Die Textilsortierung – eine bestehende Problematik in der Kreislaufwirtschaft
Doch selbst wenn es sich nicht um Retourware handelt, bringen Fast Fashion-Produkte der Second-Hand-Branche ein erhebliches Problem ein. Böhmermann zeigt in der Sendung von Freitag mehrere Videoausschnitte, in denen zu sehen ist, wie aus Europa importierte Altkleider in afrikanischen Ländern Berge an Müll und massive Umweltverschmutzung verursachen. Der Vorwurf: Altkleiderspenden dienen nicht dem guten Zweck, sondern verursachen vielmehr Probleme in ärmeren Ländern.
Die Debatte darüber ist nicht unbedingt neu. Die Problematik wurde in den letzten Jahren mehrmals öffentlich diskutiert. Re-Use Austria hat sich dazu in einem Positionspapier geäußert und klargestellt, dass hier dringend Maßnahmen in der Textilsortierung gesetzt werden müssen. Österreich weist nur eine einzige professionelle Anlage für die Vollsortierung von Altkleidern auf, nämlich die Caritas Vorarlberg (ebenfalls Re-Use Austria Mitglied). Diese kann jedoch nur Altkleiderspenden aus Vorarlberg bearbeiten, und auch dort nicht die gesamte Sammelmenge. Die restlichen gesammelten Altkleider aus Österreich kommen zur Sortierung ins Ausland, etwa nach Deutschland, Italien oder Osteuropa. Um dies zu verhindern und Altkleiderspenden bestmöglich nach Qualität und Zustand zu verteilen, besteht dringender Handlungsbedarf seitens der Politik.
„Fast Fashion“ nicht für Second-Hand geeignet
Das tieferliegende Problem ist zudem die als „Fast Fashion“ produzierte Kleidung an sich. Wie Böhmermann in seiner Sendung richtig hervorhebt, stammen viele der gespendeten Kleidungsstücke aus Kollektionen großer Modekonzerne, die ihre Ware möglichst schnell und günstig produzieren wollen. Die Kleidungsstücke weisen daher wenig überraschend minderwertige Qualität auf und sind meist nicht für den Second-Hand-Markt geeignet. Da nur intakte, hochwertiger Kleidung im Kreislauf gehalten werden kann, landet ein großer Teil der minderwertigeren Fast-Fashion-Kleidung im Export oder im Recycling. Das primäre Ziel muss also sein, ein Umdenken in der Modebranche zu bewirken. Große Modekonzerne müssen weg von der Mentalität der Über- und Billigproduktion, hin zu wirklich nachhaltigen, kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodellen langlebiger Qualitätskleidung.
Damit einher geht auch eine Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft. Die Wegwerfmentalität muss durch ein Wertschätzen langlebiger Produkte und den dafür eingesetzten Ressourcen ersetzt werden. Second-Hand ist nicht nur eine günstigere Alternative zum Neukauf. Es ist eine Einladung das eigene Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen und eine nachhaltigere Zukunft für uns und alle kommenden Generationen aktiv mitzugestalten.
Richtig spenden und Gutes tun: So geht’s wirklich nachhaltig!
Die Arbeit unserer vielen Mitgliedsbetriebe ist in diesem Prozess von immenser Bedeutung. Sie kombiniert nicht nur die Kreislaufwirtschaft mit sozialen Aspekten, sondern macht es auch möglich, dass jede:r Einzelne einfach Gutes tun kann und Second-Hand wirklich Sinn macht. Denn gut erhaltene Sachspenden bekommen bei unseren Mitgliedsbetrieben ein zweites Leben. So werden wichtige Ressourcen eingespart, die bei Neuproduktion aufgewandt werden müssten.
Auf spenden.widado.com gibt es eine umfangreiche Übersicht zu seriösen Spendenabgabestellen aller Art. Neben der Abgabe in Re-Use-Shops sind auch zahlreiche Textilcontainer vermerkt, wo gut erhaltene Kleidung und Schuhe ihren Weg in regionale, sozialwirtschaftliche Second-Hand-Shops finden.