Sozialunternehmen gelten als Vorreiter der Kreislaufwirtschaft. Sie fördern nachhaltiges Ressourcenmanagement, Naturschutz und Klimaneutralität sowie den Kampf gegen Armut, Ungleichheit und soziale Ausgrenzung. Angesichts globaler Klima-, Umwelt- und Sozialkrisen wird ihre Bedeutung immer deutlicher. Doch was bringt der Blick in die Zukunft? Wie können die Herausforderungen der nächsten Jahre erfolgreich gemeistert werden? Und wie kann der Spagat zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit geschafft werden?
Diese und noch viele weitere Fragen wurden bei der diesjährigen RREUSE-Konferenz in Den Haag unter Expert:innen aus ganz Europa diskutiert. Das Motto dabei: “The limits of our imagination are the limits of our world. (dt.: Die Grenzen unserer Vorstellungen sind die Grenzen unserer Welt.)“
Wie jedes Jahr war es wieder das Event, auf das Organisationen aus ganz Europa mit freudiger Erwartung entgegenfieberten: Die internationale Konferenz des EU-Dachverbandes RREUSE gemeinsam mit BKN, dem holländischen Dachverband der sozialwirtschaftlichen Re-Use-Betriebe brachte in Den Haag zahlreiche Expert:innen, politische Entscheidungsträger und Akteur:innen aus der Praxis an einem Tisch zusammen. Als übergeordnetes Ziel der zahlreichen Vorträge, Diskussionsrunden und kleinen Workshops stand die Gestaltung einer gemeinsamen Vision für das Jahr 2050. Dass die anstehenden Herausforderungen alle Kreativität und Pioniergeist der Teilnehmenden erfordern, war bereits am ersten Abend klar: “The limits of our imagination are the limits of our world. (dt.: Die Grenzen unserer Vorstellungen sind die Grenzen unserer Welt.)“ – ein Motto, das zum Spinnen großer Ideen einlud.
Gutes Leben für alle: Sozialwirtschaft als Grundlage für die Kreislaufwirtschaft
Kurzlebige Produkte von schlechter Qualität, Massen- und Überproduktion, Wegwerfmentalität – all das belastet schon viel zu lange die Umwelt. Es ist ein radikales Umdenken notwendig, sind sich die Expert:innen einig. Dabei muss jedoch das Wohlbefinden aller Menschen mitbedacht werden. Es gilt den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und gleichzeitig die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen sicherzustellen.
Dass sozialer Mehrwert in der Kreislaufwirtschaft an der Tagesordnung stehen und dies auf beiden Seiten Vorteile bringt, zeigten gleich mehrere Redner:innen am zweiten Tag der RREUSE-Konferenz. Eva Verraes, Direktorin von HERWIN, stellte etwa die inspirierende Arbeit von Kringwinkel ViTeS vor und betonte den großen Nutzen sozialer und zirkulärer Arbeitsplätze. Langfristige Arbeitslosenunterstützung für die soziale und berufliche Integration der Menschen bringt jährlich bis zu 14.500 Euro pro Arbeitnehmer in die belgische Wirtschaft zurück.
Auch Matthias Neitsch, Präsident von RREUSE und Geschäftsführer von Re-Use Austria, erklärte, dass Investitionen in Menschen in der Kreislaufwirtschaft oft rentabler sind als in Anlagen. Denn durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen werden nicht nur die Menschen als Individuen gestärkt, auch die Unternehmen profitieren langfristig von den erlernten Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter:innen. Margriet Jongerius vom Mitveranstalter BKN (Branchevereniging Kringloop Nederland) unterstrich ebenfalls die Bedeutung der beruflichen (Weiter-)Bildung. Die Sozialwirtschaft nehme in dieser Hinsicht eine Vorbildhaltung ein. Jan van Ginkel, Vertreter der Provinz Südholland, forderte daher dazu auf, die Aktivitäten zirkulärer Sozialunternehmen als Zukunftsmodell der Wirtschaft zu präsentieren.
Brigitte Fellahi von der Europäischen Kommission präsentierte in diesem Kontext die neuesten EU-Initiativen zur Sozialwirtschaft und betonte, dass sich die Akteur:innen der Sozialwirtschaft Gehör verschaffen müssen, wie etwa beim ersten EU-Rechtsdokument zur Sozialwirtschaft sowie nationale Konsultationen zur Schaffung fairer Bedingungen durch Beihilfe- und Steuerregelungen.
Erfolgreiche EPR-Systeme erfordern faire Vertretung und klare Ziele
Ebenfalls im Fokus stand die finanzielle Tragfähigkeit des Modells sozialer Unternehmen und welche Rolle dabei EPR-Systeme spielen. Die Teilnehmenden einer Expert:innendiskussion – darunter RREUSE-Vizepräsidentin Antigone Dalamaga von Ecorec (GR), Nesrine Dani von Fédération Envie (FR), Vanya Veras von MUNICIPAL WASTE EUROPE (BE), und Janine Röling von Fair Resource Foundation (NL) – waren sich einig, dass die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) nur mit Beteiligung aller relevanten Interessengruppen an deren Steuerung erfolgreich werden kann. Antigone Dalamaga, Vizepräsidentin von RREUSE, hob hervor, dass klare Ziele erforderlich sind, um den Fortschritt zu gewährleisten. RREUSE setze sich daher weiterhin für die gleichberechtigte Teilnahme aller Stakeholder und die Einführung spezifischer Ziele zur Abfallvermeidung und -bewirtschaftung ein.
Politische Umwälzungen als zusätzliche Herausforderungen
Anschließend an die RREUSE-Konferenz fand am 17. Oktober das Policy Working Group Treffen statt. Dort wurden die Auswirkungen der sich verändernden politischen Landschaft auf die Kreislaufwirtschaft diskutiert. Besonders betont wurde die Notwendigkeit, die Strategie auf EU-Ebene anzupassen. Zudem wurde die Zusammenarbeit mit Branchenakteur:innen hervorgehoben, um den Zugang zu politischen Entscheidungsträgern zu verbessern. Zentrale Punkte waren die aktuell bevorstehenden Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie sowie die Revision der WEEE-Richtlinie, letztere wird in den kommenden Jahren maßgeblich diskutiert werden.
Kreislaufwirtschaft als Norm: Der lange Weg in eine wirklich nachhaltige Zukunft
Dass sich die Kreislaufwirtschaft in Zukunft noch großen Herausforderungen stellen muss, steht außer Frage. Dennoch war bei der diesjährigen RREUSE-Konferenz genug Raum für inspirierende Visionen. RREUSE-Mitglieder wie Eve Poulteau von Emmaüs Europe und Matthias Neitsch von Re-Use Austria diskutierten mit Wieteke Dupain vom Euclid Network und Hilde van Duijn von Circle Economy über ihre Vision einer Zukunft, in der eine soziale und zirkuläre Wirtschaft die Norm ist und keine besondere Kennzeichnung mehr benötigt. In dieser Gesellschaft soll der Klimawandel gemindert, Überproduktion der Vergangenheit angehören und das Wohl der Menschen im Mittelpunkt stehen.
Wie diese Vision verwirklicht werden kann? Dazu fielen Stichworte wie Steuerpolitik, Bildung und Digitalisierung. Es gilt mehr in die Fähigkeiten der Menschen zu investieren, sich an veränderte Bedingungen anzupassen und dennoch Kerninhalte beharrlich weiterzuverfolgen.