
Die europäische Kreislaufwirtschaft steht im Textilbereich vor einer akuten Krise: Sortieranlagen schließen, der internationale Gebrauchtkleidermarkt ist übersättigt, und wiederverwendbare Kleidung wird vereinzelt bereits verbrannt. Trotz der seit Anfang 2025 verpflichtenden getrennten Sammlung von Alttextilien fehlt es in vielen EU-Staaten an der nötigen Infrastruktur und Finanzierung. Unser EU-Dachverband RREUSE wendet sich nun mit einem dringenden Appell an die stellvertretenden Botschafter der EU27-Staaten sowie an die nationalen Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union.
RREUSE – das größte europäische Netzwerk sozialwirtschaftlicher Betriebe im Bereich Wiederverwendung, Reparatur und Recycling (Österreich ist über Re-Use Austria vertreten) schlägt Alarm. In ganz Europa stößt die Sammlung und Verwertung von Alttextilien an ihre Grenzen. Die soziale und ökologische Textilwirtschaft steht vor dem Kollaps – und mit ihr ein zentraler Baustein der europäischen Kreislaufwirtschaft.
Offener Brief an Botschafter der EU27-Staaten
In einem offenen Brief wendet sich RREUSE nun an die die stellvertretenden Botschafter der EU27-Staaten sowie an die nationalen Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union und warnt vor einem drohenden Zusammenbruch der Textilverwertung. Getrieben durch die stark steigenden Importe billiger „Fast Fashion“ landet immer mehr gebrauchte Kleidung in immer schlechterer Qualität jährlich in Containern – doch viele Mitgliedstaaten haben noch immer keine ausreichende Infrastruktur, um sie fachgerecht zu sortieren und zu verwerten.
Obwohl die EU mit Jahresbeginn 2025 die getrennte Sammlung von Textilien verpflichtend gemacht hat, fehlen in der Praxis Sammelstellen, Sortierbetriebe, Recyclingkapazitäten und vor allem: die Finanzierung dafür. Obwohl der Inlandsverkauf von gut erhaltener, sauberer und hochwertiger Gebrauchtkleidung boomt, muss der größte Teil der gesammelten Textilien exportiert werden, was durch die steigenden Mengen in immer schlechterer Qualität und zunehmende internationale Handelshemmnisse kaum noch wirtschaftlich möglich ist. Große internationale private Textilverwerter mussten bereits Insolvenz anmelden, für die restlichen privaten und sozialwirtschaftlichen Sammler wird eine Aufrechterhaltung der Sammlung immer schwieriger. Damit droht genau jenen Infrastrukturen das Aus, die von der EU für die Umsetzung ihrer Textilstrategie und der geplanten Herstellerverantwortung ab ca. 2028 dringend gebraucht werden. Statt die Textilien in die Wiederverwendung zu bringen, werden sie vereinzelt bereits verbrannt – ein ökologischer und sozialer Rückschritt.
Matthias Neitsch, Geschäftsführer von Re-Use Austria und Präsident von RREUSE, sieht dringenden Handlungsbedarf:
„Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, verlieren wir wertvolle soziale Strukturen und vergeben wichtige Chancen für eine nachhaltige Zukunft. Die EU braucht einen Notfallaktionsplan für Textilien – und zwar sofort.“
RREUSE und Re-Use Austria rufen die EU-Mitgliedstaaten daher auf, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Umweltrats im Juni zu setzen und einen EU-weiten Notfallaktionsplan (EU-level Textile Emergency Action Plan – TEAP) für die Textilbranche umzusetzen. Zudem sollen Förderungen und Beihilfen einfach und rasch zugänglich gemacht werden.